Martina und Christine erzählen zur Geige

Richard Staffler (1880–1962) schreibt in "Humor im Etschland" von 1938 (Seite 76): "Die Pseirer haben nämlich eine besondere Vorliebe für das Geigenspiel. Seit ungefähr achtzig Jahren wird es im Tale stark geübt. Die Geigen machen sie sich selber. Es ist in Passeier fast kein Hof zu finden, wo in der Stube nicht eine oder gar mehrere Geigen an der Wand hängen. Bei verschiedenen Anlässen, zu Neujahr, im Fasching, im Sommer finden sich mehrere Spieler in Gruppen zusammen und spielen alte, bodenständige Volksweisen und Volkstänze, aber ohne Noten. Solcherart steht das Passeier im ganzen Lande wahrhaft einzig da". Foto: MuseumPasseier.

“Der Footer isch sunntigs nië oone der Gaige außn Haus gångin”

Von Daniel Hofer

 
 

Die Geige ist Teil der Sammlungsausstellung “Türen in die Vergangenheit”, die als Maturaprojekt von Daniel Hofer, Sandra Fahrner und Alexa Pöhl kuratiert und gestaltet wurde.

 
 
 

Die Musik spielte auch früher eine wichtige Rolle. Sie war ein Ausgleich für die Arbeit und eine Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen. Die Geige mit ihrem melodiösen Klang brachte Freude und Unterhaltung in die Stuben – sie war für die musikalische Bevölkerung von Passeier ein äußerst beliebtes Instrument.

Auch der Vater von Christine und Martina, Josef Platter, war ein leidenschaftlicher Geigenspieler. “Ohne Geige ist er sonntags nie aus dem Haus gegangen”, erinnern sich seine Töchter an ihren musikbegeisterten Vater. Jeden Tag nahm er sich die Zeit, um zu spielen: „Zum Halbmittag [Jause am Vormittag] ist er täglich ins Haus gegangen, hat die Geige genommen und ein wenig gespielt. Die Geige ist jeden Tag genommen worden, mindestens zwei- oder dreimal.”

Die Schwestern Christine (Jg. 1962) und Martina Platter (Jg. 1951). Foto: Sandra Fahrner.

Das Geigenspiel erlernte Josef wohl, wie damals üblich, durch Zuhören.Wenn sie etwas spielten, konnten sie es immer auswendig”. Schon als Kind spielte Josef gemeinsam mit seinen Geschwistern zu Hause auf Haupolt auf der Geige, er lernte das Instrument noch bevor er 10 Jahre alt war. Und ab den 1920er Jahren pflegten sie eine Art Stubenmusik untereinander. Die Geschwistergruppe spielte mit einer Bassgeige, einer Gitarre und vier Geigen.

An Sonn- und Feiertagen versammelten sie sich, um Musik zu machen. Oft kamen auch Bekannte dazu, um zu singen, zu spielen oder zu tanzen – manchmal bis tief in die Nacht. „Man hatte außer bei uns zu Hause nirgends so eine Musikgruppe in der Nachbarschaft.”

In den 60er Jahren gründete Josef mit vier musikbegeisterten Freunden die „Geiger der Berge”. Die Geiger der Berge hatten verschiedene Auftritte. Sie erzählten immer, sie hätten am meisten Applaus von allen Gruppen bekommen”. Auch zu Hause war die Geige ein ständiger Begleiter. „Uns Kindern hat er immer vorgespielt und gesungen.”

Die Geige war ein “Stimmungsbringer”. So spielte ihr Vater zum Beispiel nach dem Baumfest in seiner Stube mit den Förstern und Lehrpersonen, bei einer Versicherungskontrolle oder auch während der Fasnacht. „Am meisten waren in unserer kleinen Stube um die 60 Leute.”

Die Geige samt Bogen stammt vom Geigenbauer Sebastian Pircher (1859–1934) aus Passeier, daher auch die Bezeichnung Waschtile Gaige. Sebastian Pircher alias Stricker Waschtile war gebürtig vom Pfitscherhof, auch Verdorf genannt, in Schweinsteg, und lebte im Waalhaus in der damaligen Lugengasse (heute Silbergasse) in St. Leonhard in Passeier. Als Autodidakt fertigte er seine ersten Geigen nach Jakob Stainer (1617–1683), später hat er sich angeblich Modellzeichnungen von Geigen von Antonio Stradivari (1644–1737) und Giuseppe Guarneri (1698–1744) besorgt. Pircher soll an die 100 Geigen hergestellt und verkauft haben. Inv.-Nr. 2000_189. Fotos: MuseumPasseier.

 

Sammlungsausstellung
TÜREN IN DIE VERGANGENHEIT

12.4. – 31.10.2025

Maturaprojekt von Daniel Hofer


Grafik, Konzeption, Interviews
Daniel Hofer, Alexa Pöhl, Sandra Fahrner

Beratung
Manfred Schwarz, Judith Schwarz

Texte
Daniel Hofer

Fotografie
Sandra Fahrner, Alexa Pöhl, Milena Haller

Zeitzeug*innen
Schwester Annunziata Maria, Luise Gögele, Anton Gufler, Ida Gufler, Regina Öttl,
Martina Platter, Christine Platter, Helmut Platter

Abbau und Montage
Florian Öttl, Wolfram Hofer, Hannes Spöttl, Sandra Fahrner, Alexa Pöhl, Milena Haller, Daniel Hofer

Finanzielle Unterstützung
Bildungsausschuss St. Martin, Bildungsausschuss St. Leonhard

 
 
 
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