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Ida erzählt zur Kinderwiege
Blogserie “Türen in die Vergangenheit”
Bemalte Kufenwiege, datiert 1876, vom Untersteinerhof in Pfelders, Gemeinde Moos. Inv.Nr.: 2000_128
“Sii hattn mii lai gsollt pa di Kinder låssn...”
Von Daniel Hofer.
Die Kinderwiege ist Teil der Sammlungsausstellung “Türen in die Vergangenheit”. Sie ist ein Maturaprojekt und wurde kuratiert und gestaltet von Daniel Hofer, Sandra Fahrner und Alexa Pöhl.
Diese alte Kinderwiege aus dem Jahr 1876 ist mehr als nur ein Möbelstück – sie ist eine Zeitzeugin. Ihr Holz zeugt von unzähligen Momenten, in denen kleine Kinder in ihren ersten Schlaf gehüllt wurden. Wie viele waren es wohl? Wie viele Kinder haben etwa vom Jahr 1876 bis zum letzten Gebrauch in dieser Wiege geschlafen? Viele Kinder, die später selbst ihre Kinder in diese Wiege legten. Viele, die vielleicht nicht das Kindesalter überlebten. Doch all diese Geschichten verweben sich in den Holzfasern dieser Wiege.
Ida Gufler, Jahrgang 1939, lebt im Haus St. Benedikt in St. Martin. Foto: Sandra Fahrner.
Ida Gufler erinnert sich an die Geburten bei ihr Zuhause. Ihre Mutter hatte mehrere Frühgeburten. Da sie bei den Geburten sehr litt, mussten die Kinder das Haus verlassen und in den Wald gehen. Bei einer Geburt bei ihnen zu Hause waren stets eine Hebamme, ein Arzt und ein Pfarrer anwesend: „Der Pfarrer kam immer mit, damit jemand da war, falls sie sterben würde, denn ihr ging es wirklich schlecht. Ins Krankenhaus gehen hätte man selbst bezahlen müssen, deswegen blieb meine Mutter bei ihren Geburten immer zu Hause.“
Woher das Kind kam, war keine Frage. „Es hieß immer, ein Vogel hätte es gebracht oder es sei aus an fauln Stock [aus einem morschen Baumstrunk] herausgekommen.“ Nach der Geburt musste die Mutter acht Tage lang ruhen und sich dann vom Pfarrer ausseegnin låssn [den Segen geben lassen], bevor sie wieder in die Kirche gehen durfte. „Da musste man vor der Kirche niederknien, und der Pfarrer hat dann die „bösen Geister“ vertrieben. Erst danach durfte man wieder in die Kirche und wurde vom Pfarrer mit Weihwasser gesegnet.“, erzählt sie. Mütter wurden in dieser Zeit als „unrein“ bezeichnet.
Ida erzählt weiter. „Die Kinder wurden nur etwa einen Monat gestillt, weil die Mütter auf dem Hof arbeiten mussten. Ab einem halben Jahr setzten wir die Kinder in eine Staige [Apfelkiste aus Holz] und nahmen sie bei der Heuarbeit und anderem mit.“ Als Idas Schwiegermutter einmal auf ihr Kind aufpasste, gab es einen schmerzlichen Moment. „Bei mir war die Schwiegermutter zuhause und die hatte das Wort. Sie sagte, ich solle raus arbeiten gehen und sie schaue auf die Kinder. Einmal bin ich ins Haus gegangen, um das Kind zu stillen. Da habe ich die Schwiegermutter schreien gehört: „Du sacklere Fråtze [verfluchtes Balg], i schloog di grood niider, wenn du sou schraisch!“ Das hat mir weh getan. Sie hätten nur mich sollen bei den Kindern zuhause bleiben lassen. Aber wenn man den Frieden haben wollte, musste man still sein. Die Schwiegertochter war sowieso immer der „böse Geist“.“
Sammlungsausstellung
TÜREN IN DIE VERGANGENHEIT
12.4. – 31.10.2025
Maturaprojekt von Daniel Hofer
Grafik, Konzeption, Interviews: Daniel Hofer, Alexa Pöhl, Sandra Fahrner
Beratung: Manfred Schwarz, Judith Schwarz
Texte: Daniel Hofer
Fotografie: Sandra Fahrner, Alexa Pöhl, Milena Haller
Zeitzeug*innen: Schwester Annunziata Maria, Luise Gögele, Anton Gufler, Ida Gufler, Regina Öttl, Martina Platter, Christine Platter, Helmut Platter
Abbau und Montage: Florian Öttl, Wolfram Hofer, Hannes Spöttl, Sandra Fahrner, Alexa Pöhl, Milena Haller, Daniel Hofer
Finanzielle Unterstützung: Bildungsausschuss St. Martin, Bildungsausschuss St. Leonhard
Mein Maturaprojekt im Museum
Wie aus einer Idee eine Ausstellung wurde.
Welche Erinnerungen haben Senior*innen angesichts eines alten Gegenstandes und welche Geschichten lassen sich daraus entfachen? Davon handelt die neue Ausstellung „Türen in die Vergangenheit“.
Wie aus einer Idee eine Ausstellung wurde.
Von Daniel Hofer.
Fotos: Sandra Fahrner, Milena Haller, Manuela Hofer, Alexa Pöhl.
„Projektmanagement“. So heißt ein Fach im fünften Schuljahr der Fachschule für Land- und Forstwirtschaft Fürstenburg in Burgeis, bei dem Schüler*innen ein Projekt eigenständig planen und mithilfe eines Projektauftraggebers und eines Projektteams im Lauf des Schuljahres umsetzen sollen. Ich entschied mich aufgrund meiner starken Interessen für ein Fach im historischen Bereich.
Aber was könnte ich als Projekt machen? Nach einigen Überlegungen trat ich mit dem MuseumPasseier in Kontakt und erhielt den Vorschlag, im Schenner-Stadel eine neue Ausstellung zu konzipieren. Als Exponate standen mir Gegenstände aus dem ehemaligen Heimatmuseum St. Martin zur Verfügung, die von Sepp Haller (1933–2016) gesammelt und bis Ende der 1990er Jahre im Keller der Raiffeisenkasse St. Martin ausgestellt worden waren.
Eines war mir gleich bewusst. Dass ich diese Arbeit allein nicht schaffen würde. Deswegen stellte ich ein Projektteam aus interessierten Bekannten zusammen. Mit der Zeit fiel mir immer mehr auf, welches Glück ich mit diesem Team hatte, da sich die Mitglieder dieses Teams motiviert und intensiv an diesem Projekt beteiligten und freiwillig viel Zeit dafür investierten. Aus diesem Grund kann ich dieses Projekt heute nicht mehr als „mein Projekt“ bezeichnen, sondern als „unser Projekt“, da es ohne mein Projektteam nie möglich gewesen wäre, eine solche Ausstellung zu errichten.
Was machen wir nun mit diesen Gegenständen? Ich überlegte zusammen mit meinem Projektteam und dem Museum, wie ich die Exponate auf spannende und interessante Weise präsentieren könnte. Wir kamen zu dem Entschluss, eine Ausstellung zu gestalten, bei der Senior*innen aus ihrem Leben erzählen – und zwar ausgehend von einem einzigen Gegenstand. Das Ziel dieser Idee war es, zu jedem Objekt persönliche Geschichten zu sammeln. Statt vieler Exponate sollten nur wenige – die dafür aber umso intensiver – betrachtet, bearbeitet und inhaltlich vertieft werden.
Aber nun, ran an die Arbeit! Nach mehreren Ideensammlungen und Besprechungen war der erste Schritt das Aussuchen der Exponate, welche ausgestellt werden sollten. Wichtig dabei war, nicht viele Gegenstände auszusuchen, sondern ausschlaggebende. Es sollten Objekte sein, zu denen man eine lange Geschichte erzählen kann. Zum Beispiel eine Muspfanne. Eine Muspfanne ist für uns heute ein normales Küchenutensil. Zur damaligen Zeit war sie jedoch der Grundstein eines Haushaltes, aus der mehrere Generationen ihre warme Speise aßen.
Zu welchen Objekten könnte es spannende Geschichten geben? Welche Gegenstände waren früher wichtig, und welche könnten die Besucher*innen besonders ansprechen? Diese Fragen stellte ich mir, als ich mir die Datenbank des Museums anschaute, in der sich rund 600 Exponate aus dem ehemaligen Heimatmuseum von Sepp Haller befinden. Meine Aufgabe war es, einige Exponate auszuwählen, die für die Ausstellung verwendet werden sollten, was alles andere als einfach war! Immerhin ist jedes Stück dieser Sammlung ein faszinierender Geschichtenspeicher, was die Auswahl von einer begrenzten Zahl an Exponaten besonders schwierig machte.
Alles, was wir in dieser Ausstellung errichteten, wurde aus der früheren Ausstellung wiederverwendet. Die Sitzbank wurde aus den Brettern der ehemaligen Sitzbänke der Filmbox zusammengesetzt. Auch die Tafeln mit den Texten und den Porträts der Zeitzeug*innen stammen von den Türen der Filmbox. Die Einleitungstafeln, der Denkwürfel, das Außenschild und alle weiteren für die Ausstellung benötigten Bretter wurden aus den Wänden der ehemaligen Filmbox gewonnen. Auf diese Weise konnte vieles weiterverwendet werden, anstatt es wegzuwerfen.
Eine wertvolle Erfahrung war es für alle Beteiligten. Für viele war es die erste selbst gestaltete Ausstellung, verbunden mit einem Einblick in das Projektmanagement, dem Übernehmen von Verantwortung und der Möglichkeit, sich die Zeit selbstständig einzuteilen. Die engagierte Arbeit aller Projektmitglieder verdient große Anerkennung, und das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen. Ein besonderer Dank gilt dem MuseumPasseier für die einzigartige Möglichkeit, die umfassende Unterstützung und das entgegengebrachte Vertrauen in uns.
Dank der Beratung und mehrerer Besprechungen mit meinem Team und dem Museum hatten wir bald jene Exponate bestimmt, die schließlich für die Interviews verwendet wurden. Bis zum Schluss waren es acht Objekte, welche im Leben der Menschen in der Vergangenheit vom Lebensanfang bis zum Lebensende eine bedeutende Rolle spielten.
Mit sieben der acht ausgewählten Objekte machten wir uns nun auf dem Weg zu den Interviews, um Geschichten hinter den Gegenständen zu erfahren. Unser Arbeitsvorgang war bei allen Zeitzeugen*innen der gleiche: Wir hatten Fotos der Exponate mit dabei, zeigten den Senior*innen das Foto und fragten, welche Erinnerungen an diesen Gegenstand die Person habe.
Das Ergebnis sind viele spannende, emotionale, witzige und nostalgische Einblicke in eine „vergangene Welt“ – immer basierend auf den gezeigten Gegenstand. Die verschiedenen Gespräche wurden immer auditiv aufgenommen und fotografiert. Die Audios wurden anschließend nochmal abgespielt, die wichtigsten Aussagen transkribiert und in Objekttexte für die Ausstellung formatiert. Fotos: Milena Haller, Sandra Fahrner
Nun hatten wir zwar die Informationen, aber noch keinen leeren Raum. Deswegen war der nächste Schritt der Abbau der Ausstellung „Pfluag & Traagl“, welche sich im Raum der neuen Ausstellung befand. Der erste Schritt war, die Exponate der Ausstellung aus dem Raum zu entfernen. Dann kam es auch schon zur „Filmbox“. Diese Filmbox war ein kleiner Raum in der ehemaligen Ausstellung, in welchem man auf einer Leinwand verschiedene Filme über bäuerliche Tätigkeiten in Passeier anschauen konnte.
Am Abbau der Filmbox beteiligten sich viele engagierte Mitglieder des Projektteams, die viel Motivation und Freizeit in die Arbeiten investierten. Nachdem wir die Türen, die Sitzbänke, die Lampen, den Beamer und die Leinwand, den Monitor zur Filmauswahl sowie den Schaumstoff an den Wänden entfernt hatten, begannen wir mit dem Abbau der Decke. Nachdem diese demontiert war, setzten wir den Abbau an den Wänden fort.
Nachdem die Filmbox abgebaut und verstaut war, wurden auch die Bild- und Texttafeln der früheren Ausstellung abmontiert, der Müll entsorgt und der Raum gründlich gereinigt. Nach etwa einem Monat war der Ausstellungsraum vollständig leergeräumt.
Nun bauten wir die Podeste für die Objekte und schnitten die Bretter zu, auf welche später die Folien geklebt wurden. Außerdem errichteten wir eine Sitzbank für die Besucher*innen. Eine große Öffnung an der Vorderwand des Stadels wurde mit Brettern verschlossen.
Die selbstklebenden Folien für die Ausstellung wurden an die Druckerei zum Druck übergeben und dann von uns auf die Holztüren sorgfältig aufgeklebt.
Nachdem wir alle handwerklichen Arbeiten an der Ausstellung abgeschlossen und die Objekte samt Tafeln an ihren vorgesehenen Platz gestellt hatten, war der Aufbau unserer Ausstellung vollendet. Nun stand der wichtigste Schritt des Projekts bevor – die feierliche Eröffnung.
Passend zum Saisonstart des Museums am 12. April, an dem auch freier Eintritt gewährt wurde und verschiedene Handwerker im Rahmen von „Zeitreise Handwerk“ ihr Können präsentierten, wurde dieser Tag auch für die Eröffnung der neuen Ausstellung festgelegt. Die Veranstaltung wurde im Vorfeld durch Einladungen, mündliche Ankündigungen und Plakate beworben. Am Morgen des 12. Aprils erledigten wir letzte Feinarbeiten, bevor um 11 Uhr die Eröffnung begann. Schon vor Beginn hatten sich zahlreiche Interessierte vor dem Schenner-Stadel versammelt.
Punkt 11 Uhr eröffnete Museumspräsidentin Monika Gögele die Veranstaltung mit einer Begrüßung. Im Anschluss hielten Sandra Fahrner, Alexa Pöhl und ich eine kurze Rede, in der wir den Ablauf des Projekts erläuterten. Nach dem symbolischen Banddurchschnitt öffneten wir schließlich die Türen zur neuen Ausstellung: „Türen in die Vergangenheit“.
Sammlungsausstellung TÜREN IN DIE VERGANGENHEIT
12.4. – 31.10.2025
Maturaprojekt von: Daniel Hofer
Grafik, Konzeption, Interviews: Daniel Hofer, Alexa Pöhl, Sandra Fahrner
Texte: Daniel Hofer
Beratung: Manfred Schwarz, Judith Schwarz
Zeitzeug*innen: Schwester Annunziata Maria, Luise Gögele, Anton Gufler, Ida Gufler, Regina Öttl, Martina Platter, Christine Platter, Helmut Platter
Fotografie: Sandra Fahrner, Alexa Pöhl, Milena Haller
Abbau und Montage: Florian Öttl, Wolfram Hofer, Hannes Spöttl, Sandra Fahrner, Alexa Pöhl, Milena Haller, Daniel Hofer
Finanzielle Unterstützung: Bildungsausschuss St. Martin, Bildungsausschuss St. Leonhard
I triangoli verdi
Vor genau 80 Jahren kamen 15 Passeirer Familien ins Konzentrationslager Bozen.
Vor genau 80 Jahren kamen 15 Passeirer Familien ins Konzentrationslager Bozen.
Von MuseumPasseier
Wir fangen an, mit dem was blieb. Und das sind Minigeschichten von Zeitzeugen, allesamt als Ton- und Filmdokumente überliefert. Doch, fangen wir besser wirklich von vorne an, oder zumindest weiter vorne: Seit Frühling 2024 ist eine Arbeitsgruppe dabei, über 10 Stunden Audiomaterial für das Museum zu transkribieren, also als Text zu tippen. Die Aufnahmen stammen aus den 80er und 90er Jahren – die Zeitzeug*innen sprechen über die Zeit des Zweiten Weltkriegs und leben nicht mehr.
Verfolgt – verfemt – vergessen. So nennt sich die Publikation, die anschließend an die von Leopold Steurer, Martha Verdorfer und Walter Pichler geführten Interviews im Jahr 1997 publiziert worden ist. Ein Buch über Wehrmachtsdeserteure in Südtirol – in den Interviews erzählen vor allem deren Familienangehörigen. Einige “Passeirer Passagen” aus den Tonaufnahmen sind im Buch verwendet worden, aber ein getipptes, geglättetes Zitat in der Schriftsprache ist doch etwas ganz anderes als der mitunter sehr emotionale O-Ton im Passeirer Dialekt.
Diese Tonspuren stehen nun im Mittelpunkt. Sie sollen Raum und Gehör finden in einer Sonderausstellung im Sandwirtskeller. Vor einem Jahr schrieb nämlich die Euregio ein neues Themenjahr für 2025 aus und wünschte sich Museumsprojekte, die sich mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit, des Widerstands sowie des Umgangs mit Krisen und gesellschaftlichen Umbrüchen in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beschäftigen. Das MuseumPasseier schloss sich mit den Ötztaler Museen zusammen und für 2025 werden dazu also diesseits und jenseits des Jochs Ausstellungsprojekte entstehen.
Krisenzeit – Widerstand – soziale Ungerechtigkeit: Diese Schlagworte verdichten sich im Passeier genau in jenem “beschwiegenen” Kapitel über die Wehrmachtsdeserteure: Nicht umsonst schreibt Sepp Haller 1986 vom “Problemkreis Passeirer Partisanen”. Der Fokus des Ausstellungsprojektes für 2025 wird auf den Erzählungen liegen: Welche Überlebensgeschichten aus dem Krieg haben überlebt, und zwar im Familiengedächtnis der Passeirerinnen und Passeirer? Doch bis dahin liegt noch viel Arbeit vor uns.
Abgesehen von den Interviews wurden kaum themenbezogene Objekte, Fotos oder Schriftstücke hinterlassen. Zur starken Audiolastigkeit und augenscheinlichen Objektlosigkeit der Ausstellung wird es einen visuellen Ausgleich brauchen.
Der Zufall wollte dann, dass wir sofort starten. Heuer jährte sich am Samstag, den 21. September, der Tag, an dem die „große Razzia“ in Passeier stattgefunden hat, zum 80sten Mal. Abgesehen davon, dass der 21.9. auch der Internationale Tag des Friedens ist, fanden wir, dass wir diesen Abend unbedingt nutzen sollten, um die Schicksale der triangoli verdi, der sogenannten „Sippenhäftlinge“ im Konzentrationslager Bozen, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Riiglin oder nit riiglin?
Einen ersten Versuch, ob Handzeichnungen funktionieren, haben wir schon gestartet: Am 21. September sind wir mit unseren Ausstellungsplänen an die Öffentlichkeit gegangen und haben einen „Familienabend“ angeboten.
Ein einschneidendes Ereignis für das Tal. 15 Passeirer Familien wurden als Geiseln in sogenannte „Sippenhaft“ nach Bozen verschleppt – ein Tag, der im Passeier bislang noch nie besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Im Mittelpunkt unseres Abends, der mit Hörproben und Zeichnungen den 21. September 1944 in Erinnerung rief, standen dabei nicht die Deserteure, sondern die Eltern, Brüder und Schwestern der Deserteure, die im KZ mit grünen, auf ihren Häftlingskleidern aufgenähten Dreiecken (triangoli verdi) gekennzeichnet wurden.
Die Geschichten sind geprägt von Entscheidungen. Dienen oder desertieren? Verraten oder schweigen? Gehorchen oder widersetzen? Überleben oder sterben? Bestrafen oder verzeihen? Erinnern oder vergessen? Und jetzt, 80 Jahre nach dieser Zeit bzw. nun, wo die letzten Zeitzeugen just in den letzten Jahren verstorben sind, stehen die Familien mit den Erinnerungen da und vor der Entscheidung: Tragen wir die Erinnerungen unserer Vorfahren erzählend als immaterielles Familienerbe oder schweigend als Last der Vergangenheit weiter?
Was also tun, mit diesen Minigeschichten? Wir hoffen, mit dem Abend einen ersten Impuls gesetzt zu haben, sich mit den fremden, und vor allem mit den eigenen Familiengeschichten auseinanderzusetzen – in Gedanken oder auch im Gespräch. Ob die Ausstellung im nächsten Jahr dann, mit diesen Bruchstücken an Erinnerungen, Erfahrungen, Verletzungen und Hoffnungen das Potenzial haben wird, sich als mehrschichtige Erzählung mit einem roten Faden ins kulturelle Gedächtnis von Passeier einzuweben, werden wir sehen.
Fotos: Barbara Pixner